stanko

Ich weiss ja nicht, wie es dir diese Woche ergangen ist – für mich verging sie wie im Fluge. Damit man nun nicht permanent das Gefühl haben muss, das Leben rase an einem vorbei, empfiehlt es sich, auch einmal innezuhalten: Was bewegt mich, was bewegt uns? Immer wieder komme ich dabei auf den guten alten John Maynard Keynes: „Die Schwierigkeit besteht nicht so sehr darin, neue Ideen zu haben, sondern sich von den alten zu befreien“.

Klingt das nicht brutal? Und brutal undankbar? Geht man so mit etwas um, das einen offenbar länger getragen hat? Nun, die Rede ist hier von Ideen – nicht von Menschen. Und auch die besten Ideen können uns über den Kopf wachsen und uns zuwuchern, wenn wir nichts dagegen tun. Ich vergleiche es daher lieber mit einem Bonsai: Ein Bonsai hat eine bestimmte Energie zur Verfügung und wenn er nicht zu einem unförmigen schwammigen Gebilde austreiben soll, braucht er Pflege und Zuwendung, platzierten und dosierten Schnitt sowie eine Vorstellung davon, wie er in Tagen, Wochen und Monaten aussehen soll.

Wovon müssen wir uns trennen? Was müssen wir vielleicht “nur” ein wenig zurückschneiden, damit es mit neuer Energie wachsen kann?

Scharlatan, Sektenguru und Rassist – was hat man Rudolf Steiner nicht alles schon apostrophiert! Und ich gebe zu, dass diese Erfahrung auch mich vorerst irritiert hatte, ein wenig wohl nach der Devise “Was der Bauer nicht kennt…”.

Lässt man sich aber auf diese Welt mit dem sperrigen Namen “Anthroposophie” erst einmal ein, ändern sich die Perspektiven, changieren. Es eröffnen sich Schichten jenseits der reinen Oberfläche und es beginnt ein kleines Abenteuer: Da gibt es Kräfte, kurlige Wesen, Drachentöter und ein Netz von Gegenseitigkeiten und Korrespondenzen, die “der Welt” wie eine Dos-Maske zugrundeliegen. Könnten. Oder nicht?

Wer sich einen Ruck gibt und unerschrocken forschen will, wird bereichert wieder herausfinden – oder auch nicht mehr – aus dieser Welt, die vieles ist, aber keine Scharlatanerie und auch kein Dogma, weil sie sich um das Immergleiche und doch stetig Verändernde dreht: den anthropos, den Menschen.

Um es noch ein wenig sperriger zu sagen: diese Philanthroposophie.

Die Utopie ist ein Nichtort, den es aber braucht, um in der Differenz (noch nicht: Differänz) den eigenen Ort besser zu greifen. Baudrillard nennt das ein Simulacrum, was immer wieder dystopisch missgedeutet wird. Ob auch hier die Strassen keine Namen haben?

Es mag bezeichnend sein, dass mein erster Blogpost sich auf einen Gassen(!)hauer der 80er bezieht. Was aber gäbe die Schieflagen unserer Zeit besser wieder als ein Hinhorchen in die Natur des Unsteten, das Liebe auf- und wieder abbaut (we’re building and burning down love), nur um sie nicht irgendwann verrostet (rust) und in den Staub (dust) getreten zu sehen? Das unentdeckte Land, das die Zukunft ist, braucht die Utopie eines Ortes, der gleichzeitig verborgen und hoffnungsfroh ist. Die Lust liegt darin, ihn zu entbergen (high on a desert plain) und, vor allen Dingen, das gemeinsam zu tun (I go there with you). Wir wissen, dass es dort Strassen gibt, doch haben diese Strassen und Wege keine Namen. Niemand hat sie benannt, weil niemand sie kennt. Sie sind die eigentlichste Form von Möglichkeit und wenn wir einander Antrieb genug werden, hinzugehen und zu schauen, können wir entdecken und anempfinden – ohne uns zu bemächtigen, ohne ein Gegeneinander, aber: miteinander.