stanko

So hätte ich mir die Mitte meines Lebens nicht vorgestellt, dennoch ist es so passiert. Ich finde mich auf einmal verliebt in dich, eine wesentlich Jüngere. Du bist in mein Leben getreten und hast mich im Sturm erobert. Dein sind meine Nächte und wenn ich dich langsam entkleide, begleitest du das mit einem Aufschrei oder auch einem Lächeln.

In den frühen Morgenstunden, wenn die Welt noch schläft, finden unsere tiefsten Gespräche statt – du erzählst mir ohne Worte von deinen Träumen.

Aus Liebe zu dir tue ich Irrwitziges, kaufe ein teures Auto und vergesse dabei meine Bescheidenheit, ja vergesse mich. Es ist ein fahrbarer Beweis meiner Sorge und Liebe. Wenn ich in deine Augen sehe, erfüllt mich eine vernünftige Unvernunft, ein Bewusstsein, dass jede meiner Taten, so unlogisch sie auch scheinen mag, aus Liebe entspringt.

Und wenn der Vorhang fällt, das letzte Stück unserer täglichen Aufführung, verstehe ich, dass die allergrösste Liebe oft in den allerkleinsten Gesten liegt. Dein sicheres Lachen, Josephine, zeigt, was im Leben wirklich zählt.

Es ist so eine Sache mit dem Fallen: Normalerweise beschreibt es einen Übergang von hoch zu tief und ist rasch gleichbedeutend mit Verlust, Niedergang oder sogar Untergang, wie etwa in Edgar Allen Poes Der Untergang des Hauses Usher bzw. Der Fall des Hauses Usher. Fall = Untergang. Spannend, nicht wahr?

Wem also wäre wirklich wohl bei dem Gedanken, ein Fall zu sein oder zu einem Fall gemacht zu werden? – Nun, in der Medizin oder der Juristerei ist das praktisch immer der… Fall. Du wirst zu einem Fall, der geführt wird, zu einem case, der gemanagt wird, zu einem Kasus, den es mit der manu (der Hand) zu agere (zu machen, zu [be]handeln) gilt. Also ganz schön passiv und, mit Verlaub, abhängig.

Doch ist das nicht zu verdenken, schliesst es logisch an die sogenannte Abhängigkeitsgrammatik an: Die Nomen und Namen in ihrem grammatikalischen “Fall” (Akkusativ, etc.) werden seit der Antike als vom Verb abfallend (“abhängig”) aufgefasst. Ein Beispiel: Das Verb “sehen” fordert den Akkusativ, daher denn “ich sehe dich” (und nicht etwa “dir” oder “du”).

Verben, Recht und Medizin sagen also, was wie läuft, der Rest folgt, fällt – wahlweise ab, durch oder zu. Keine sehr prickelnde Perspektive. Aber: Frankl lehrt uns ja, dass wir stets die Freiheit haben, uns Gegebenheiten gegenüber zu verhalten.

Ein Versuch: Im japanischen Budo sind die Ukemi Waza, also die sogenannte Fallschule, von entscheidender Wichtigkeit. Anders gesagt: Wer weiss, wie man richtig fällt, sich dabei nicht verletzt und nach dem Fallen sogar wieder unbeschadet aufsteht, der überwindet die Passivität und geht über in einen aktiven Part, macht sein Gegenüber damit zum empfangenden Teil, der – gekonnt! – fällt, wieder aufsteht und so weiter und so fort – bis sich insgesamt Balance und Harmonie (jap. ai) einstellen.

Im Fall!

War letztes Mal noch die Rede vom Übergang als Thema, ist es heute nun die menschliche Mühe damit. Übergänge geben zu denken, ja schmerzen, weil sie unsere Selbstverständlichkeiten beissen oder – das reicht völlig – auch nur anknabbern.

Dabei brauchen wir sie doch, unsere Selbstverständlichkeiten! Nicht auszudenken, wenn wir uns um jeden einzelnen Atemzug Gedanken machen müssten. Oder wir tagtäglich Angst haben müssten, am nächsten Tag nicht wieder zu erwachen. Mit anderen Worten: Wir brauchen dieses “Vegetieren”, diesen “Autopiloten”. Aber aufgepasst, denn zu viel davon und wir landen in unserer eigenen Truman-Show. Diese kennt nur ein Innen und ein Aussen, die voneinander getrennt sind. Der nagende Übergang von innen nach aussen oder umgekehrt ist es dann eben, der uns schmerzt.

Was also tun? Ganz klar: tändeln! Und noch mehr: selbst-vers-tändeln!

Aus dem vermeintlich Selbstverständlichen das Selbst, den Vers und das Tändeln herausarbeiten. Das Selbst, indem ich mir bewusst mache, wen oder was mein Selbst ausmacht; den Vers als zweckfreie und schöne Ver(w)ortung dieses Selbst; das Tändeln schliesslich als die verspielte, fragende und entdeckende Geste, die den Autopiloten immer wieder anstupst und wach hält, damit er nicht einschläft und auch keine Krusten bildet, an denen wir uns beim nächsten Übergang – und der kommt, selbstverständlich! – blutig aufschürfen müssen.

Manchmal beginnt ein neues Jahr damit, sich seine Bahn in dein Leben zu brechen, mit existenzieller Wucht. 2024 ist so ein Jahr, das den einen oder anderen Gedanken wert scheint (danke, Simon, für den digitalen Glückwunsch!). Für mich ist es das Thema Übergang. Wir gehen über zu etwas anderem, etwas Neuem, vielleicht auch etwas Ungeahntem.

Welche Übergänge erwarten dich dieses Jahr?

Darf man so spät im neuen Jahr, wenn es also gar nicht mehr so neu ist, so etwas Januarisches fragen?

Wir werden sehen, ob der Frühling auf den Winter folgt, wie wir das einmal in der Schule gelernt haben, oder ob der Winter auf den Frühling folgt und ihm gleichzeitig wieder vorangeht. Der Übergang sich also auch im Übergang befindet.

Meine Tochter ist heute exakt 14 Tage alt. Jung. Neu. Wir füttern sie mit Muttermilch, wir füttern sie aber auch mit Musik: Musik von Coldplay und Metallica, damit sie einmal gross und stark wird. Wenn es gelingt, die Grossen des Rock quasi Spieluhr-Style babytauglich zu machen – müsste es dann im Leben nicht möglich sein, einfach immer die Sprache des Anderen zu finden?

morgenfrischer tag

neulicht kommt durch alte nacht

beginn eines traums

Aus einem starken Republik-Artikel zum Thema “Gesprächskultur” zur Frage, wie man mit dem Wutbürger-Onkel am weihnächtlichen Familientisch umgehen könnte:

“Aber warum muss der [der Wutbürger-Onkel] denn wissen, wie Sie die Dinge sehen? Er wird die Dinge deswegen nicht so sehen wie Sie. Viel interessanter ist doch, ob man ihn durch geschicktes Fragen dazu bringt, selbst etwas zu sehen. Oder etwas zu begründen, das er sonst nie begründen muss, sodass er dadurch vielleicht den festen Stand verliert. Das ist eine Möglichkeit: einfach zu sagen, heute sag ich überhaupt nichts dazu, wie ich die Dinge sehe. Ich frage nur nach.”

Merry. Christmas?

… ist der Freund von Pastinabarbie

Alleen von Strassenzügen bestehend aus Gesichtszügen haben den Sommer zum Herbst gemacht und das Thurgauer Wahlvolk für Halloween angewärmt. Ich hatte also schon mehr als genug vom Thema “Selbstmarketing”, bis – ja bis – dann dieses Textli kam: https://schieflage.blog/reto/microgeschichte-aus-berlin