(ge)fallen
Es ist so eine Sache mit dem Fallen: Normalerweise beschreibt es einen Übergang von hoch zu tief und ist rasch gleichbedeutend mit Verlust, Niedergang oder sogar Untergang, wie etwa in Edgar Allen Poes Der Untergang des Hauses Usher bzw. Der Fall des Hauses Usher. Fall = Untergang. Spannend, nicht wahr?
Wem also wäre wirklich wohl bei dem Gedanken, ein Fall zu sein oder zu einem Fall gemacht zu werden? – Nun, in der Medizin oder der Juristerei ist das praktisch immer der… Fall. Du wirst zu einem Fall, der geführt wird, zu einem case, der gemanagt wird, zu einem Kasus, den es mit der manu (der Hand) zu agere (zu machen, zu [be]handeln) gilt. Also ganz schön passiv und, mit Verlaub, abhängig.
Doch ist das nicht zu verdenken, schliesst es logisch an die sogenannte Abhängigkeitsgrammatik an: Die Nomen und Namen in ihrem grammatikalischen “Fall” (Akkusativ, etc.) werden seit der Antike als vom Verb abfallend (“abhängig”) aufgefasst. Ein Beispiel: Das Verb “sehen” fordert den Akkusativ, daher denn “ich sehe dich” (und nicht etwa “dir” oder “du”).
Verben, Recht und Medizin sagen also, was wie läuft, der Rest folgt, fällt – wahlweise ab, durch oder zu. Keine sehr prickelnde Perspektive. Aber: Frankl lehrt uns ja, dass wir stets die Freiheit haben, uns Gegebenheiten gegenüber zu verhalten.
Ein Versuch: Im japanischen Budo sind die Ukemi Waza, also die sogenannte Fallschule, von entscheidender Wichtigkeit. Anders gesagt: Wer weiss, wie man richtig fällt, sich dabei nicht verletzt und nach dem Fallen sogar wieder unbeschadet aufsteht, der überwindet die Passivität und geht über in einen aktiven Part, macht sein Gegenüber damit zum empfangenden Teil, der – gekonnt! – fällt, wieder aufsteht und so weiter und so fort – bis sich insgesamt Balance und Harmonie (jap. ai) einstellen.
Im Fall!