Wieder heicho – „Coming home“
Prolog: Wenn „diese Büste“ dort hinkommt, wo sie „geboren“ ist.
Schon in meinen Jugendjahren stand „diese Büste“, Bronzekopf auf dem Klavier im Wohnzimmer. Mir gefiel sie nie. Es war ein Geschenkt an meinen Vater – soweit ich mich erinnere – Abschied Blasmusik XY – oder so. Die Frage drängte sich mir immer wieder auf, wieso „diese Büste“ – von einem Gesicht, welches ich gut kannte? Irgendwann kommt die Zeit, da sieht man „diese Büste“ auf dem Klavier gar nicht mehr. Ein Gegenstand, der immer dort stand und erst bemerkt wird, wenn er sich nicht mehr dort befindet.
So gingen die Jahrzehnte ins Land. Man(n) wird älter und der Rücken ist auch nicht mehr so entzückend, wie in den 90ern. Vielleicht wäre da mal eine Generalrevision angesagt, inklusive Darmspiegelung und Hodencheck. Also wir waren bei „dieser Büste“. Und ja, sie geht mir nach. Irgendwie habe ich sie in den letzten zwei Jahrzehnten ausgeblendet. Aber wie es kommt – es kommt immer anders, als man denkt. Meine Mutter, stolze 93 Jahre, entschloss sich definitiv im Altersheim zu weilen. Wohnungsräumung war nun angesagt. Da kommen Erinnerungen hoch … aber dies eine andere Geschichte. Und dann war eben noch „diese Büste“, die niemand mehr haben wollte. Wie entsorgt man dieses Unding? In den Glascontainer wäre doch etwas zu gewagt gewesen. Auch als Bauschutt nicht passend, da ich sonst das Thurgauische Archäologie-Zentrum vor meiner Haustür gehabt hätte und sie intensiv nach einer römischen Siedlung zu suchen begonnen hätten. Also ab mit „dieser Büste“ ins Auto und so fuhr „diese Büste“ rund einen Monat mit mir im Auto herum, bis ich eine für uns passende Lösung fand. Letzte Autofahrt mit „dieser Büste“, zum lokalen Kunstgiesser.
Und wir beide im Auto, wie schon in meinen Jugendjahren, schweigend ins Gespräch vertieft. Zwei Bronzeköpfe in ihrer Sturheit.
Beim Kunstgiesser angekommen. Nur der Vater, auch Kunstgiesser, in der Werkstatt. Er sah den Kopf und sagte: „Das ist ein Friedli … den habe ich gegossen.“ Ich war Paff. Ernst Friedli ist ein Stück Thurgauische Kunstgeschichte. Und dann kam Sohn nach unten. Er sah den Bronzekopf und beachtete ihn und sagte: „Wow, ein echter Friedli!“ Und ich zu ihm. Ja, kann sein, aber ich möchte ihn nicht in dieser Form behalten. Mir ist es sehr viel lieber, wenn du ihn für andere Projekte weiter verwendest und morphologisch veränderst, dies wäre im Sinne „dieser Büste“.
Epilog: Und irgendwie stimmte es für mich, dass „diese Büste“, welche bei the way – mein Vater abbildet – wieder dort gelandet war, wo sie entstanden ist. Vielleicht ist dies genauso stimmig und richtig, wenn sie dann durch den Künstler wieder verwendet und verändert wird. Dies im Sinn des Seins „dieser Büste“ und des Inhabers des Kopfs.
Matti Fleischer: Blog on Wordpress: https://mattifleischer.wordpress.com